Dieses Intermezzo währte aber nur kurz. Zu groß waren die inneren Widersprüche, zu groß aber auch die Kluft zwischen dem progressiven Wien und der österreichischen Republik, in der die konservativ-faschistischen Kräfte zunehmend an Macht gewannen. Das Rote Wien konnte die österreichische Kultur zeitlich und räumlich nur sehr begrenzt beeinflussen. Und trotzdem lebt es noch heute fort – unter anderem in den neo-austromarxistischen Theorien, die einen dritten Weg zwischen Sozialdemokratie und Marxismus suchten und in vielen Politikern, die bereits in der ersten Republik aktiv waren und im Nachkriegsösterreich die zweite Republik auch sozialistisch prägten. Und nicht zuletzt lebt es fort in den Gebäuden, die in den 20er Jahren zur Lösung der akuten Wohnungsnot und zur Manifestation der Stärke der Arbeiterklasse erbaut wurden
Dieses Referat will die Situation in Wien nach dem Ende der Donaumonarchie beschreiben, die kommunalen Aufgaben, vor denen die sozialdemokratische Stadtregierung standen, und ihre Lösungsansätze. Aber auch einige Gründe für das Scheitern des austromarxistischen Experiments werden genannt. Nebenbei soll auch die Frage erörtert werden, ob das Rote Wien eine „Metropole“ Österreichs war und in welchem Maße es die österreichische Nationalkultur beeinflusste. 
Während des Ersten Weltkrieges ergossen sich Flüchtlingsströme vor allem aus dem russisch besetzten Galizien nach Wien. Schließlich lebten 2,24 Millionen Menschen in der Hauptstadt, die Versorgung wurde extrem schwierig. Die Wiener Fabriken produzierten für den Krieg, die Landwirtschaft der Umgebung konnte wegen Arbeitskräftemangel kaum bestellt werden, und nachdem 1916 Kaiser Franz Josef I. gestorben war, mehrten sich Friedens- und Hungerdemonstrationen in Wien.
Otto Bauers Austromarxismus
Um 1904 traf sich eine Gruppe jüngerer Akademiker und Studenten aus unterschiedlichen Fachbereichen. Sie setzten sich als Sozialdemokraten oder Marxisten mit modernen philosophischen Strömungen auseinander und versuchten, die Marxsche Theorie auf das alte, von Nationalitätenkonflikten erschütterten Österreich zu übertragen. Zu dieser Gruppe gehörten auch Otto Bauer, der spätere Wortführer des Austromarxismus, der Soziologe Max Adler und der Jurist Karl Renner (1919/1920 erster Staatskanzler der ersten Republik, 1945-50 erster Bundespräsident der zweiten Republik).
Die Gruppe versuchte, einen dritten Weg für die SDAP zu finden, zwischen der Zweiten Internationale, die sozialdemokratisch geprägt war, und der Dritten Internationale, der kommunistischen. Tatsächlich entstand 1921 die „Internationale 2 1/2“, die danach 1923 als linker Flügel in der Zweiten Internationale aufging. Die Austromarxisten entwickelten kein dogmatisches Glaubensbekenntnis, sondern eine neue Gesellschaftstheorie. Diese Theorie war ihrer Meinung nach notwendig geworden, weil die Sozialisten in entwickelten kapitalistischen Gesellschaften stets in einem Dilemma steckten: Eine Revolution im Marxschen Sinne war nicht möglich, der sozialdemokratische Reformismus-Weg war aber zu ermüdend und endete statt im Sieg des Sozialismus in Resignation und Integration.
Ihre Strategie formulierte Otto Bauer als „Nicht die Köpfe einschlagen, die Köpfe gewinnen!“ In anderen Ländern sei der Sieg des Sozialismus nur mit Gewalt möglich, in Österreich sollte die Arbeiterpartei friedlich durch die Demokratie an die macht kommen. Erst dann sollte die soziale Revolution“ mithilfe staatlicher Sozialisierungen durchgesetzt werden. Zur Umstrukturierung des Staates gab es keine ausführlichen Pläne. Doch seine Bürger, vor allem die Arbeiter und Kleinbürger sollten langsam durch sozialistische Bewusstseinsbildung verändert werden. Eine große und einzigartige Chance, den Austromarxismus umzusetzen, ergab sich in Wien ab 1919
Wohnraumpolitik
Als die SDAP nach dem Februar-Aufstand verboten und alle sozialdemokratischen Organisationen aufgelöst wurden, zogen sich etliche Arbeiter und Arbeiterinnen ins Private zurück. Doch einige tausend, vor allem junge Sozialdemokraten gingen in den Untergrund. Diese Bewegung spaltete sich in die Gruppe der Revolutionären Sozialisten, von denen viele zu den Kommunisten überliefen, und den gemäßigteren Sozialdemokraten, die durchhielten und die Zeit nach dem Ende des Nationalsozialismus vorbereiteten. Um dir ein optimales Erlebnis zu bieten, verwende ich Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn du diesen Technologien zustimmst, kann ich Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn du deine Zustimmung nicht erteilst oder zurückziehst, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.
