Zusammenarbeit von Arbeiter- und Soldatenrat und alten Gewalten
Die beiden Räte mussten, um nicht aneinander vorbei zu arbeiten, sich in wöchentlichen Vollsitzungen enger absprechen. Da jedoch der Arbeiterrat eher linksradikal und der Soldatenrat eher rechtssozial eingestellt war, waren Schwierigkeiten vorprogrammiert, die nicht lange auf sich warten ließen und das gesamte Rätesystem gefährdeten.
Die alten Gewalten, der Senat und die Bürgerschaft, arbeiteten zunächst wie bisher weiter. Am gleichen Tag, als sich Arbeiter- und Soldatenräte konstituierten, verabschiedete der Senat Reformvorschläge, die auf ein gleiches Wahlrecht, auch für Frauen, und eine Beteiligung der MSPD an der Regierung abzielten. Zuvor waren diese Reformen versäumt worden, sei es aus Gründen der Machterhaltung, der Prinzipientreue oder schlicht der Kurzsichtigkeit, nun war es jedoch für Reformen zu spät. In anderen Städten hatte die Zusammenarbeit von bürgerlichen Linken und MSPD im Senat im Vorfeld der Revolution bereits die Situation entradikalisiert, in Bremen war dies nicht mehr möglich.
Die Kooperation von alten und neuen Gewalten war kritisch, denn die Versorgung und die Wirtschaft wurden durch die unsichere Situation gefährdet. Die Reputation der Stadt im Ausland stand auf dem Spiel, Steuerzahlungen blieben aus.
Um in dieser Zeit, da der Staatsapparat schwankend und die Räte noch zu schwach waren, Ordnung zu bewahren, kam es zu einer Doppelherrschaft im Leninschen Sinne: Der Senat hatte den gesamten Verwaltungsapparat unter sich, der Arbeiter- und Soldatenrat die militärische Macht, mit der er den Senat überwachte, soweit es ihm möglich war.
Am 14.11.1918 wurden der Senat und die Bürgerschaft formal als Regierungsorgan ausgeschaltet, nun lag die alleinige politische Macht beim Arbeiter- und Soldatenrat, d.h. beim Aktionsausschuss, der Senat verblieb in den Verwaltungsspitzen. Um die Verwaltung kontrollieren zu können und seine Weiterführung im Sinne der Revolution zu garantieren, wurde ein gemeinsamer Zwölfer-Ausschuss aus je 6 Mitgliedern des Arbeiter- und Soldatenrates und des Senats gebildet, das sozusagen das Bindeglied in der Verwaltung darstellte.
Der Senat und die Bürgerschaft akzeptierten ihre Absetzung zwar nicht, arbeiteten aber für das Gemeinwohl weiter in der Verwaltung. Dort besaßen sie jedoch trotz des Zwölfer-Ausschusses aufgrund ungeklärter Zuständigkeiten weiterhin einige Macht, die sie dazu benutzten, auf ihre Wiedereinsetzung hinzuarbeiten. Anfang Dezember wurde dieser Versuch endgültig abgelehnt, womit eindeutig Position zur künftigen Staatsform bezogen wurde: in Bremen sollte nicht das „Hamburger Modell“ gelten, sondern das Sowjet-System.