(erschienen in der Bremer Zeitkultur, Mai 2003)
Bremen. Seitensprünge können gefährlich sein – auch noch nach 22 Jahren. Diese Erfahrung macht Carl-Ulrik Borg, genannt Cubbe, als er einen mysteriösen Anruf erhält. Sein unehelicher Sohn Kai, den er mit der kubanischen Sängerin Maria gezeugt hat, will ihn treffen – im Stockholmer Gourmet-Lokal „Svenssons“, Ausgangspunkt einer Reihe von, die Cubbe seine berufliche und gesellschaftliche Stellung kosten könnten. Die weiteren Zutaten: Eine wasserstoffblonde Perücke, ein angebliches Wahrheitspulver des CIA, ein rachelüsterner Widersacher und – flambierte Erbsensuppe.
Eben diese gibt der kleinen Kriminalgeschichte von Maj Sjöwall und Jürgen Alberts den Titel. Die Schwedin, die mit ihrem Mann Per Wahlöö die Figur des „Kommissars Martin Beck“, sozusagen den „Großvater“ von Henning Mankells „Kurt Wallander“ erfand, und der Bremer kennen sich seit Jahren. Eine kleine Geschichte haben sie bereits zusammen geschrieben: „Der letzte Raucher“. Jetzt ist also das zweite Kooperationswerk erschienen – und wer die Sjöwall und auch den Alberts als durchaus gesellschaftskritische Kriminalautoren kennt und liebt, wird ein wenig erstaunt sein. Denn „Erbsensuppe flambiert“ ist alles andere als ein „typischer Schwedenkrimi“. Hier spürt der Leser vor allem den Spaß, den die beiden Schriftsteller auf ihren Zugreisen von einer Lesung zur nächsten haben: Da kommen einem so Gedanken, was passieren könnte, wenn ein Vater und sein unehelicher Sohn aufeinander treffen… „Wir haben die Handlung ausbaldowert bis zum Letzten“, erinnert sich Jürgen Alberts, „und jeder hat seine Ideen dazu beigetragen.“ Maj Sjöwall ergänzt: „Kriminalgeschichten kann man besser zusammen schreiben als zum Beispiel einen Roman, denn Krimis müssen konstruiert werden, und die Ideen kann man mit dem anderen testen.“ Jeder schrieb daheim seinen Teil der Geschichte, Jürgen Alberts übersetzte die englischen Kapitel von Sjöwall, und fertig war das ungewöhnliche Eintopfgericht.
Übrigens ein „stupid food, served in a stupid way“, wie Maj Sjöwall meint. Als sie jung war, war Erbsensuppe in Schweden das traditionelle Donnerstagsmahl. Dazu gab es Rum-Punsch und Pfannkuchen – eine kuriose Zusammenstellung. Erbsensuppe gehört nicht zu Maj Sjöwalls Lieblingsspeisen, ansonsten liebt sie aber Essen und Kochen. „Food occupies me a lot“, sagt sie und teilt damit ein weiteres Hobby mit Jürgen Alberts. Nicht umsonst ist der Bremer Schriftsteller Herausgeber der GourmetCrime-Serie im Europa-Verlag: International bekannte Autoren schreiben exklusiv kurze Krimis, die in den Metropolen der Welt wahre „Schmankerl“ für Gourmets bieten. „Schnecken mit Kaninchen“ gibt es in Barcelona von Andreu Martín, in Rotterdam serviert Janwillem van de Wetering „Entartete Seezunge“, bei Patrick Reynal aus Mali gibt es „Ein Fisch namens Le Capitaine“ und in Wien bringt Edith Kniefel „Pastete mit Hautragout“ auf den Tisch. Außerdem im Angebot: „Bratwurst für Prominente“ in Zürich (Peter Zeindler), „Macho Pikant“ in Havanna (Daniel Chavarria), „Pfeffer für Brunelleschi“ in Florenz (Nino Filasto) und „Der Tod des kubanischen Chefkochs“ in Miami (Stuart M. Kaminsky). Insgesamt neun Bände sind bislang erschienen, drei weitere folgen im Frühjahr 2004, wenn Frances Fyfield zum kriminellen Diner nach London entführt, Polina Daschkowa nach Moskau und Ake Edwardson nach Göteborg.
Doch so eine richtige Kriminalgeschichte mit einem handfesten Verbrechen ist der schmale Band nicht geworden – darauf habe sie auch gar keine Lust mehr, sagt die 67-jährige Sjöwall. Und auch, wenn ihr die Zusammenarbeit mit Jürgen Alberts viel Spaß gemacht hat, längere Romane will sie nicht mehr schreiben: „Das braucht zu viel Zeit, die ich lieber mit meinen Kindern, Enkeln, Freunden und mit Reisen verbringe.“ Überhaupt will die 67-Jährige keine großen Pläne mehr angehen: „I’m not for projects anymore.“ Auch das Kinderbilderbuch, das es demnächst von ihr geben wird (nach einer Geschichte, die bislang nur in einer schwedischen Zeitung erschienen ist), wird wohl einmalig bleiben. Lieber kommt die Schwedin öfter nach Deutschland. „In Schweden gibt es kaum Autoren-Lesungen, dort sitzen nur drei, vier alte Damen in der Stadtbibliothek und hören höflich zu. In Deutschland ist das Publikum dagegen immer sehr interessiert und nett.“ Vor allem Bremen mag die gebürtige Stockholmerin: Das Wasser, die Ruhe, die schmucken Häuser im Viertel – Maj Sjöwall ist sich sicher: „Das ist die netteste Stadt Deutschlands!“ (bik)
Literatur: Maj Sjöwall / Jürgen Alberts: „Erbsensuppe flambiert“ Europa Verlag, ISBN 3-203-85209-8, 80 Seiten, 7,90 Euro
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