Maschinenstürmer, Fabrikenprotest und Ludditen

Einleitung
Die Fallbeispiele
1. Die englischen Ludditen
2. Maschinensturm und Fabrikenprotest in Deutschland
Die Analyse
1. Trägergruppen
2. Anlässe

Einleitung

Maschinensturm und Fabrikenprotest sind zwei vor allem in der Phase des Wandels von der protoindustriellen zur frühindustriellen Gesellschaft existierende Formen des sozialen Protests.

Während Maschinensturm die gewaltsame Zerstörung von Maschinen, oft auch von Rohstoffen, halbfertigen und fertigen Waren meint, bezeichnet der Fabrikenprotest die gewaltsame Zerstörung von persönlichem Eigentum des Fabrikanten, wie Haus und Möbel, wobei ein besonderes Augenmerk auf Objekte“ demonstrativen Reichtums“ gerichtet ist.

Obschon Maschinensturm und Fabrikenprotest vor allem symptomatisch für den durch die Frühindustrialisierung hervorgerufenen strukturellen und sozialen Wandel sind, ihr Vorkommen sich entsprechend vornehmlich auf den Zeitraum zwischen 1800-1850 beschränkt, sind sie eher in die traditionelle Form sozialen Konflikts eingebettet, als dass sie auf dieser Ebene einen qualitativen Umbruch bedeuten.

Maschinensturm hat es auch vor der Industrialisierung gegeben.. Aber auch wenn die Zünfte der Einführung neuer Techniken oftmals eher skeptisch gegenüberstanden, zeigt diese Tatsache nicht unbedingt eine direkte Linie vom Gebaren zünftiger Handwerksmeister zum Maschinensturm der Heimgewerbetreibenden oder Fabrikarbeiter auf – die Motive waren unter-schiedlich. Auch der Fabrikenprotest schöpft aus dem Konfliktverhalten sozialen Protests, namentlich des Subsistenzprotests, der vor allem im ausgehenden 18. Jahrhundert vorzufinden ist.

Hier, wie beim Fabrikenprotest, wenn er nicht gerade dem Motiv des „collective bar gaining by riot“, also dem kollektiven Verhandeln mittels Aufruhr, entspringt, ist als besonderes Merkmal die Bestrafungsaktion zu verzeichnen, bei der Kaufleuten oder Fabrikbesitzern die Objekte demonstrativen Reichtums oder Waren, mit denen Wucher betrieben worden ist, zerstört werden.

Historischer Konflikt im Brennglas


Auch der Maschinensturm kann den Charakter einer Bestrafungsaktion fragen. In jedem Falle soll auf diese Weise eine als Unrecht empfundene Ordnung sanktioniert werden. Die Rechtsauffassung, die sich bei den Subsistenzprotesten durchsetzte, die Auffassung nämlich, dass für die Nahrung ein gerechter Preis zu zahlen sei, übertrug sich in der Industrialisierung auf das Empfinden, der Fabrikant müsse gerecht handeln. Aus der Sicht der Ludditen, aber auch der Träger der Unruhen in Deutschland handelt es sich um „einen Kampf zwischen traditionellem Paternalismus und marktwirtschaftlichen Fabrikensystem [..]. Der historische Konflikt zwischen zwei gesellschaftlichen Ordnungen wird im Maschinensturm wie in einem Brennglas vergrößert und überdeutlich sichtbar.“

Während diese Ansicht einen Konsens in der allgemeinen Geschichtsauffassung markiert, sind sich die Historiker nicht immer einig: Wo Büttner im Rahmen der kommunistisch-sozialistischen Geschichtsschreibung die Weberaufstände in Schlesien als Beginn des deutschen Proletarierbewusstseins und damit als Ausgangspunkt der Arbeiterbewegung sieht, stellt sich Herzig gegen eine zu starke Akzentuierung der Singularität dieses Ereignisses und erkennt auch in früheren Maschinenstürmen und Fabrikenprotesten eine Wurzel der Arbeiterbewegung. Büttner richtet sich des weiteren gegen Engelmann, der in der Weberrevolte keinen „Vorboten der Revolution von 1848“ erkennen mag, und macht damit eine politische Dimension nicht im Bewusstsein der Weber, aber im Ereignis selbst aus. Den Ludditen dagegen wird von Thompson bewusster politischer Protest gegen das laissez-faire-Prinzip bescheinigt. Will man dieser Argumentation folgen, so wären auch die deutschen Maschinenstürme und Fabrikenproteste politisch motiviert. Im Gegensatz zu Thompson spricht die liberale Geschichtsschreibung den Maschinenstürmern jegliche politische Ziele ab und betont damit einen rein industriellen Aspekt.

Auch unter anderen Gesichtspunkten sind unterschiedliche Meinungen vorzufinden. Die konservativ-bürgerliche Geschichtsschreibung wertet die Maschinenstürme in England als einen „blinden, spasmodischen Versuch, der Industrialisierung Einhalt zu gebieten“, der angesichts der Entwicklung der Geschichte sinnlos erscheint, wogegen Hobsbawm als Erster betont, dass Maschinensturm im allgemeinen trotz relativer Erfolglosigkeit oft die einzig adäquate Protestform darstellte.

Proteste in England und Deutschland


Im folgenden sollen sowohl Maschinensturm als auch Fabrikenprotest und deren Besonderheiten näher dargestellt werden. Im Vordergrund steht vor allem die schon erwähnte Ludditenbewegung in England, und die vereinzelt auftretenden Fabrikenproteste und Maschinenstürme in Deutschland, dabei insbesondere der Maschinensturm 1821 in Eupen. der Fabrikenprotest 1830 in Aachen und 1840 im Iserlohn, sowie die Unruhen in Schlesien und Böhmen 1844.

In einem ersten Schritt werden die wirtschaftlichen Besonderheiten der einzelnen Regionen und die Ereignisse als solche knapp dargestellt. Darauf aufbauend werden dann einzelne Aspekte der Ludditenbewegung und der Ereignisse in Deutschland vergleichend erörtert. Hierdurch soll eine systematische Analyse der Anlässe und Motive, der Trägergruppen, ihres Organisationsgrades, der Reaktion der Obrigkeit und des eventuellen Erfolges der Konflikte und damit eine Erhellung der oben aufgeworfenen Problematik möglich gemacht werden. Die Auswahl der verschiedenen Beispiele soll ein möglichst differenziertes Gesamtbild erlauben und trägt damit dem Bemühen Rechnung, verschiedene Facetten des Fabrikenprotests und Maschinensturms hervorzuheben. Es wird allerdings auf eine Hinzunahme der Ereignisse verzichtet, bei denen eine Vermischung des Maschinensturms mit politischen oder antisemitischen Motiven stattfand, wie z.B. 1848 in Wien.

Die Fallbeispiele

1. Die englische Ludditenbewegung

Die Ludditen sind nicht die ersten, wohl aber die bekanntesten und am meisten erforschten Maschinenstürmer der Frühindustrialisierung. Fälschlicherweise als Synonym für Maschinenstürmer generell verwendet, unterstellen ihnen Zeitgenossen und Historiker politische Reformabsichten, gewerkschaftliche Ziele, revolutionäres Bestreben oder simple Kriminalität und Unterschichtenprotest.

Tatsächlich sind die Ludditen jedoch die Heimgewerbetreibenden, die von 1811 bis 1814 in der Textilindustrie Mittelenglands Maschinensturm als überlegte und kalkulierte Politik anwendeten, nachdem alle anderen ihnen zur Verfügung stehenden Mittel des Protests angesichts der veränderten Situation des industriellen Umbruchs scheiterten. Gewalt war also letztes Mittel und bei den Ludditen in einer bemerkenswert hochentwickelten und disziplinierten Form.

Ob es nun tatsächlich einen Jungen namens Ned Ludd gegeben hat, den die Ludditen als ein Symbol ihres „Aufstandes“ gegen die ungerecht handelnden Manufakturbesitzer wiederaufgriffen, oder ob es einen oder mehrere wirkliche Anführer der Ludditengruppen gab, die alle Aktionen planten, ist bis heute ungewiss. Die Gestalt des General Ludd wurde jedoch schon zur Zeit der Ludditen-Bewegungen derart mystifiziert, dass sie als Symbol des Willens der Textilarbeiter von großer Bedeutung ist.

Wirtschaftliche Lage


Die wirtschaftliche Lage in England hatte sich seit 1809 extrem verschlechtert. Eine Serie von Missernten ließ die Preise steigen. Der amerikanische Non-Intercourse-Act vom Februar 1811 wirkte sich negativ auf den englischen Export nach Amerika aus, und die Folge war hohe Arbeitslosigkeit in den hauptsächlich für den Export produzierenden Textilgewerben.

In dieser schrumpfenden Marktsituation versuchten Meister und Verleger, durch veränderte Herstellungsmethoden, unqualifizierte Arbeitskräfte und niedrige Löhne ihr Geschäft zu retten. Die wachsende Lobnarbeiterschicht hatte jedoch unter dem Combination Act von 1799 keine Möglichkeit, sich gegen die Veränderungen im Arbeitsbereich zusammenzuschließen.

Die Situation war also angespannt. Zudem förderte die englische Regierung seit 1660 technische Innovationen und regelte die Wirtschaft immer mehr nach dem laissez-faire-Prinzip. Trotzdem waren um 1800 die Wirtschaftspioniere noch in der Minderheit, da die Profitschwelle der teuren neuen Maschinen für viele kleine Manufakturbesitzer zu hoch war. Einige Maschinen, die die Ludditen zerstörten, wie etwa den Strumpfwirkrahmen, waren bereits seit über 200 Jahren im Gebrauch, gegen andere wurde bei der Einführung kaum protestiert; die Zerstörung richtete sich also nicht generell gegen die Maschine an sich, sondern vielmehr gegen die sozialen Veränderungen, die durch die Maschine, bzw. die vereinfachten Produktionsweisen drohten.

Gerade im damals vorherrschenden Verlagssystem mit seinen speziellen Problemen wie die Stuhlmiete und die Höhe des Lohnes und Stückpreises hatte der Maschinensturm, neben Verhandlungen mit Verlegern und Meistern, eine lange Tradition im Arbeitskampf; neu waren beim Luddismus nur die zeitliche und räumliche Dimension, der Organisationsgrad und die Intensität des Maschinensturms.

Drei Wellen der Bewegung


Die Luddismus-Bewegung muss in drei verschiedene Wellen geteilt werden, die nicht nur geographisch, sondern auch in Bezug auf ihre Aktionsformen und Organisationsgrade sehr klar unterschieden werden können.

Der erste Ausbruch Anfang Februar 1811 erfolgte in Nottingham nach gescheiterten Verhandlungen der Strumpfwirker über Lohnkürzungen und eine neue Maschinenfertigung, die sogenannten cut-ups, die von ungelernten Arbeitskräften auf großen Webrahmen geschnitten werden konnten und somit billiger waren. In einer einzigen Nacht wurden 60 Wirkrahmen zerstört, wobei aber sehr selektiv vorgegangen wurde und nur zu große Wirkrahmen uneinsichtiger Verleger vernichtet wurden. Bis Anfang April wurden noch weitere Wirkrahmen zerstört, dann blieb es bis November relativ ruhig. Ende des Jahres breiteten sich neue Angriffe auf Leicestershire und Derbyshire aus. Hier wurde die Bewegung zwar durch starke Gegenreaktion schon im Keim erstickt, in Nottinghamshire selber wurden aber noch bis Ende Februar etwa 200 Rahmen im Monat zerstört.

Zunächst konnte selbst starke Militärpräsenz die Angriffe nicht stoppen, da es unmöglich war, die Stühle vor den kleinen Gruppen von Strumpfwirkern zu schützen, die umherzogen, heimlich in die Häuser mit den „unfairen“ Wirkrahmen eindrangen und diese zumeist ohne großen Widerstand der jeweiligen Meister vernichteten. Erst ein Gesetz, das Maschinensturm unter Todesstrafe stellte, und die, zumindest kurzfristige, Erfüllung der wichtigsten Forderungen der Ludditen brachte im Februar 1812 ein Ende in Nottingham.

Alle legalen Mittel ausgeschöpft


Auch die Tuchscherer in Yorkshire, die etwa zeitgleich mit den Ludditen in Nottinghamshire zur Gewalt griffen, hatten zuvor alle legalen Mittel ausgeschöpft, um ihre Handarbeit gegen die Einführung des Scherrahmens zu sichern. Die Form ihres Protestes war zunächst ähnlich der in Nottingham, die Yorkshire-Ludditen stießen aber bis April 1812 kaum auf Gegenreaktion, da Magistrate und Militär die Verantwortlichkeiten nicht klären konnten. Erst ein größerer Angriff auf eine stark verteidigte Fabrik brachte 2 Todesopfer auf Seiten der Ludditen und damit eine Eskalation der Gewalt: Ein Fabrikant wurde ermordet, nächtliches Drillen, Plünderungen und Marktunruhen beunruhigten die Autoritäten. Spione und ein starkes militärisches Aufgebot beendete die Bewegung in Yorkshire schließlich im September 1812.

Die letzte Welle setzte im März 1812 in Lancashire ein, hatte aber von allen drei Wellen am wenigsten mit dem „reinen“ Luddismus zu tun; Maschinensturm war nur noch eine von vielen Formen allgemeiner Unordnung. Die Weber Lancashires wehrten sich gegen die neuen dampfgetriebenen Webstühle, die zwar noch nicht häufig vorkamen, aber die Weber zunehmend ins Fabriksystem drängten und ihre Selbständigkeit bedrohten. Nachdem einzelne Fabrikanten ihr Versprechen, diese Dampfwebstühle nicht einzuführen, nicht hielten, kam es zu einigen „reinen“ Maschinenstürmen und zahlreichen Hungerprotesten und politischen Agitationen, die immer wieder, wie im Falle von „General Ludd’s wives“ oder bei der „Declaration of the City of London“, zu anschließendem Maschinensturm führten. Ein allgemeiner Aufstand am 1.Mai wurde befürchtet, fand aber nicht statt, und Militär sorgte, von vereinzelten Drillübungen abgesehen, schnell für Ruhe.

Die drei Wellen sind sehr verschieden: Während in Nottingham der Maschinensturm im Rahmen des collective bargaining steht und in Yorkshire ähnlich diszipliniert beginnt, nur im weiteren Verlauf in allgemeine Unruhe entgleist, ist er in Lancashire tatsächlich gegen die Maschinen an sich gerichtet und nicht so sehr mehr als Druckmittel verwendet und vermischt sich am meisten mit krimineller und politischer Aktivität.

Die Autoritäten nahmen ebenso wie viele Historiker eine Verbindung der drei Distrikte durch Delegierte an, doch dafür sind die Beweise zu schwach und die Aktionen zu unterschiedlich.

Maschinensturm und Fabrikenprotest in Deutschland



In Deutschland hat es verschiedentlich sowohl Maschinenstürme als auch Fabrikenproteste gegeben, wobei letzterer quantitativ überwog. Im Gegensatz zur englischen Ludditenbewegung waren sie meist von nur kurzer Dauer und regional begrenzt. Im folgenden soll auf den Maschinensturm in Eupen (1821), die Fabrikenproteste in Aachen (1830) und Iserlohn (1840), sowie auf die Unruhen in Schlesien und Böhmen (beide 1844) näher eingegangen werden. In einem ersten Schritt soll die wirtschaftliche Beschaffenheit der jeweiligen Region knapp skizziert werden. Darauf aufbauend wird dann der individuelle Verlauf der einzelnen Ereignisse kurz dargestellt.

Der Eupener und Aachener Raum, das märkische Industriegebiet um Iserlohn und die Industrieregion Böhmen erfuhren im zur Diskussion stehenden Zeitraum den Wandel von der protoindustriellen zur frühindustriellen Region – freilich mit einer jeweils unterschiedlichen Intensität.

Unterschiedliche Ausgangssituationen

Eupen war im fraglichen Jahr, 1821, noch mehrheitlich durch im Verlagswesen arbeitende Heimgewerbetreibende geprägt, während im Aachener Raum bereits neun Jahre später, um 1830 das geschlossene Fabrikensystem existierte, so dass Aachen diesbezüglich „mit an der Spitze der deutschen Entwicklung“ stand. Allerdings vollzog sich dieser Wandel „unter Konkurrenzdruck von außen und im Zeichen einer Absatzkrise “ Dies erschwerte die Entwicklung bereits ab 1821 und nahm ihr in den Folgejahren entsprechend ihre Dynamik. Eine schleppendere Industrialisierung barg aber insofern Konfliktpotential in sich, als dass die Übergangsphase eine Art Schwebezustand bewirkte, bei dem „die Tragfläche der sich auflösenden Gewerbestruktur nicht mehr, die der langsam wachsenden noch nicht aus[reichte]“‚ Die Missernte von 1830 tat ihr übriges, um eine sozial gespannte Lage in Aachen herbeizuführen.

Langsamerer Wandel


Der strukturelle Wandel in der märkischen Industrieregion verlief vergleichsweise langsamer. Aber auch hier stand die seit dem 19. Jahrhundert erstarkende Messingwarenindustrie unter ausländischem Konkurrenzdruck. Hier waren es nicht, wie im Textilbereich englische, sondern französische Produkte, die die Unternehmer zu scharfer Kalkulation und technischer Neuorientierung zwangen.“ In Böhmen war eine Industrie beheimatet, die mit zu den entwickeltsten auf dem Kontinent zählte. Die Textilindustrie übernahm hier wie in England die Take-off Funktion der Industrialisierung. Die Kattunindustrie, die sich parallel zur dortigen Baumwollwarenindustrie entwickelte und sich vornehmlich in Prag und Umgebung konzentrierte, war durch den Typ des geschlossenen Fabrikensystems mit zumeist beachtlichen Betriebsgrößen geprägt.

Bevölkerungswachstum in Böhmen


Mit der Industrialisierung ging gerade in Nordböhmen ein beträchtlicher Bevölkerungsanstieg einher, der zu einer der höchsten Bevölkerungsdichten in Europa führte. Die hier wie auch in Aachen und Iserlohn bestehende Problematik des strukturellen Wandels, die natürlich jeweils individuelle Gestalt annahm, verbunden mit der großen Bevölkerungsdichte und der Missernte von 1843, gaben der Region um 1844 ihre spezifische Beschaffenheit.

Heimarbeit in Schlesien


Diese Missernte hatte selbstverständlich auch im nahen Schlesischen Gebiet zu einer Teuerung der Lebensmittel geführt. Die gesamtwirtschaftliche Situation war dort allerdings durchweg verschieden von der in Böhmen. In Schlesien hatte man in den Jahren vor 1844 weitestgehend auf technische Innovationen verzichtet. Die schlesische Textilindustrie wurde mehrheitlich von im Verlag arbeitenden Heimgewerbetreibenden getragen. Im Zeichen einer allgemeinen Absatzkrise und der starken und stark technisierten englischen Konkurrenz wurde die Wettbewerbsfähigkeit nicht über technischen Wandel, sondern über Lohnminderung auf Kosten eben dieser Heimgewerbetreibenden gewährleistet. Die Heimgewerbetreibenden unterlagen allerdings einem gleichsam „doppeltem Joch“ Denn neben der Arbeit für den Verlagskaufmann waren sie zu feudalen Abgaben und zum Ableisten des Handdiensttags verpflichtet.

Motive waren verschieden


Entsprechend des jeweiligen wirtschaftlichen Entwicklungsgrades waren die Protestträger und deren Motivation verschieden. In Eupen kam es 1821 zum ersten Maschinensturm in Deutschland, der von im Heimgewerbe arbeitenden Tuchscherern ausging, die sich auf diese Weise gegen die vom Fabrikanten Stolle getätigte Anschaffung einer Schermaschine zur Wehr setzten. Sie befürchteten, dass sie diese Anschaffung brotlos machen würde.

Versuchte Gefangenenbefreiung in Aachen


Auch in Aachen ging der Konflikt vor allem von den dortigen Tuchscherern aus. Obschon das Ziel eines Maschinensturms anfänglich verbalisiert worden war, kam es hier zu einem Fabrikenprotest, dem der Aachener Fabrikant Cocker zum Opfer fiel. Dieser stand eigentlich in keinerlei Verbindung zum ursächlichen Anlass, der Strafabzüge beim Fabrikanten Nellessen. Die dritte Phase der Aachener Unruhen, die versuchte Gefangenenbefreiung, verliert ihrerseits den direkten Bezug zum Fabrikenprotest. Hier wird nicht, wie in Eupen, Iserlohn, Schlesien und Böhmen, versucht, während des Konflikts Inhaftierte zu befreien oder darauf zu drängen, sie wieder auf freien Fuß zu setzen. Die Gefangenenbefreiung ist hier allgemein.

Schlesische Weber


Auch in Schlesien  waren es Heimgewerbetreibende, die mehrheitlich die Gruppe der Protestierenden ausmachten. Weder waren die Einführung neuer Maschinen noch eine neuerliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen Ursache des Protests. Aufgrund der schon länger währenden desolaten Situation, versuchte eine kleine Gruppe von Webern mit dem Fabrikanten Zwanziger in Langenbielau über eine Lohnerhöhung zu verhandeln. Letzterer empfing die Weber an diesem sowie eine größere Deputation am folgenden Tag mit Steinwürfen und verschärfte somit den Konflikt. Die Protestierenden drangen hierauf in sein Haus ein und zerstörten es, während Zwanziger mit seiner Familie flüchten konnte. Auch am nächsten Tag wurde die Zerstörung von aus Peterswaldau kommenden Webern, die für Zwanziger arbeiteten, fortgesetzt. Hierbei wurden auch Kaufmannsbücher, Rechnungen und Schuldscheine vernichtet.

Zerstörung von Objekten des Reichtums


Die Protestierenden konzentrierten sich zumeist auf die Zerstörung der Objekte demonstrativen Reichtums. Zur persönlichen Bereicherung kam es dabei eher selten. Die Weber verzichteten darauf, das Anwesen Zwanzigers in Brand zu setzen, da sie dem gegen Feuer Versicherten auf diese Weise nicht schaden konnten. Schließlich wurden dann auch Häuser anderer, in den Augen der Weber ungerecht handelnder Fabrikanten zerstört. Dem Fabrikanten Wagenknecht, den die Weber gerechtes Handeln bescheinigten und der ihnen in der prekären Situation sowohl einige Silbergroschen wie auch einen Schnaps kredenzte, sprachen die Weber ein Vivat aus. Auch andere, wenn auch nicht alle, Fabrikanten konnten durch spontane Schenkungen ihren Besitz retten.

Desgleichen versuchte der Fabrikant Dierig, nachdem er seine Fabrik mit Hilfe seiner Arbeiter nur unter großer Mühe verteidigen konnte, die Lage durch die Auszahlung einiger Silbergroschen zu entschärfen. Gerade bei der Auszahlung eskalierte die Situation aber, als durch unkluges Verhalten des eintreffenden Militärs unter den Webern Panik ausbrach. Nachdem das Militär unter großen Opfern auf Seiten der Weber in die Flucht geschlagen worden war, zerstörten diese die Maschinen der Dierigschen Fabrik.

Fabrikenproteste gegen Billiglohn


Während in Eupen, Aachen und in Schlesien also vor allem Heimgewerbetreibende Träger des Protests waren, bildeten während des Fabrikenprotests in Iserlohn und der Unruhen in Böhmen vor allem diejenigen Arbeiter die Protestseite, die bereits im geschlossenen Fabrikensystem integriert waren. In Iserlohn richtete sich der Protest der dortigen Fabrikarbeiter nicht gegen die technische Neuerung des Fabrikanten Schmidt, das Rotgussverfahren, sondern gegen die damit verbundene Änderung in der Personalstruktur. Das Rotgussverfahren ermöglichte nämlich die Beschäftigung von wesentlich geringer entlohnten Frauen. Der Fabrikenprotest hatte hier die Rücknahme der personellen Veränderung zum Ziel.

Die Böhmischen Unruhen fanden ihre Ursache in der Ankündigung des Fabrikanten Porges, den Stücklohn künftig zu verringern. Die Arbeiter legten daraufhin die Arbeit nieder und entsandten eine Deputation, die mit Porges diesbezüglich Verhandlungen aufnehmen sollte. Als sie auch die Arbeiter anderer Fabriken zur Solidarität ermuntern konnten, ergriff Porges die Flucht. Daraufhin kam es zum Maschinensturm in seiner, aber auch in den Fabriken anderer Unternehmer, bis weitere Aktionen schließlich vom Militär vereitelt werden konnten.

Anruf der Obrigkeit


Nachdem sich die Arbeiter auf einer Wiese gesammelt hatten, beschlossen sie, den Gubernialpräsidenten Erzherzog Stephan aufzusuchen und ihm ihr Anliegen vorzutragen. Auch hieran wurden sie vom Militär gehindert. Der Erzherzog ließ ihnen mitteilen, dass er mit ihnen nicht verhandeln würde, solange sie streikten. Weitere Versammlungen wurden vom Militär aufgelöst. Als nach einwöchigem Streik die Arbeiter immer noch keine Anstalten machten, die Arbeit wieder aufzunehmen, wurden 525 von ihnen, die sich in ihrer Herberge versammelt hatten, verhaftet, ein Großteil von ihnen aber bald wieder auf freien Fuß gesetzt. Hiermit endete der Arbeitskonflikt in Prag. Aber auch in anderen Teilen Böhmens kam es zu Unruhen. Im Reichenberger Gebiet sammelten sich in der Spinnerei beschäftigte Arbeiter, um die für die Fabrik Ginzel angelieferte neue Spinnmaschine zu zerstören. Hier schütten die Arbeiter also wie 1821 in Eupen vor der Inbetriebnahme der neuen Maschinen em.

Solidarität mit Prager Kollegen


In Böhmisch Leipa wurde der Kattundrucker Ignac Cap, der mit einem Brief seiner Prager Kollegen von Fabrik zu Fabrik ging, verhaftet. Das Schreiben der Prager Kattundrucker rief zur Solidarität mit den an den Unruhen Beteiligten, die nun vor Gericht standen, auf und warnte die Kattundrucker Nordböhmens vor den unheilvollen Folgen der Maschinen. Da Cap bei den Kattundruckern in Leipa offensichtlich Gehör fand, ordneten die Behörden seine Verhaftung an. Die Kattundrucker stellten daraufhin ihre Arbeit ein und forderten die Freilassung des Inhaftierten. Nachdem sie diese erreichten, schlugen sie in einer Bestrafungsaktion die Fenster des Bürgermeisters ein, der für die Verhaftung verantwortlich gemacht wurde. Das Militär stellte dann Ruhe und Ordnung wieder her.

Analyse


1. Träger des Protests



Die Ludditen waren vornehmlich Heimgewerbetreibende in der Textilindustrie, in der das Verlagssystem dominierte. Trotz Arbeitslosigkeit und Armut waren sie nicht die Ärmsten und hatten Vorstellungen von einer „besseren Zeit“, oh werden die Tuchscherer Yorkshires sogar als „Arbeiteraristokratie“ bezeichnet.

Die kleinen Ludditenbanden als solche repräsentierten einen Querschnitt der lokalen Bevölkerung, wobei das jeweilige Gewerbe vorherrschte, und erfuhren große Unterstützung der gesamten Unter- und zum Teil auch Mittelklasse.

Auch bei den Ereignissen in Eupen, Aachen, Schlesien und in Reichenberg bildeten die Heimgewerbetreibenden den Kern der Protestgruppe. In Eupen und Aachen war die Anzahl der eigentlich aktiv Protestierenden relativ gering gemessen an der Anzahl derer, die nur passiv am Geschehen teilnahmen. So vermutet Volkmann beim Aachener Fabrikenprotest nicht mehr als 80-100 aktiv Beteiligte bei einer Gesamtzahl von etwa 4000, wobei die Arbeiter des zu Beginn angegriffenen Fabrikanten nicht an den Ausschreitungen teilnahmen.

Die dritte Phase der Aachener Unruhen, die versuchte Gefangenenbefreiung, markiert einen Wandel in der Beschaffenheit der Trägergruppe. Wie die Liste der Verurteilten dokumentiert, waren hier, neben den im Textilgewerbe Tätigen, die  ausmachten, Handwerker und  Tagelöhner beteiligt. Desgleichen gesellten sich zu den schlesischen Webern andere „Hinzutreter“.

Ludditen nicht mehr selbstständig


Die Ludditen in Lancashire stellen eine gewisse Ausnahme dar, da sie keine traditionellen Heimgewerbetreibenden mehr waren, sondern ihre Selbständigkeit zunehmend aufgeben und ins entstehende Fabrikensystem eintreten mussten. Bereits voll ins geschlossene Fabrikensystem integriert waren die Bronzearbeiter Iserlohns und die Kattundrucker Prags. Gerade in Prag waren aber auch diejenigen am Protest beteiligt, die bereits „Opfer“ der neu eingeführten Maschinen geworden waren, nämlich zahlreiche beschäftigungslose Kattundrucker.

Allgemein gilt, dass die von geänderten Arbeitsbedingungen direkt Betroffenen in der Regel Zuspruch und Solidarität nicht unbedingt anderer, immer aber der eigenen Berufsgruppe erhielten. So wurden Neuanschaffungen von Maschinen, Änderungen in der Personalstruktur oder Lohnminderungen einzelner Fabrikanten stets als allgemeine Tendenz begriffen.

2. Anlässe


Die Anlässe, bzw. Ursachen eines aufkommenden sozialen Konflikts, d.h. hier eines Maschinensturms oder eines Fabrikenprotests, sind zumeist Veränderungen der Arbeitsbedingungen, die vom Fabrikanten einseitig vorgenommen worden sind und den Arbeitern zum Nachteil gereichen. Solche einseitig vorgenommenen Veränderungen liefen dem Verständnis der Arbeiter bezüglich einer „moral economy“ zuwider.

Die direkten Anlässe für die Ludditen waren überall Lohnsenkungen, über die bereits Verhandlungen geführt worden waren, die allerdings an den Meistern und Verlegern scheiterten, verbunden mit je spezifischen Problemen der Gewerbe: Die Strumpfwirker Nottinghams protestierten gegen die von billigeren Arbeitskräften anzufertigenden cut-ups, die auch den Ruf des gesamten Handwerks schädigten; die Tuchscherer in Yorkshire waren durch die Abschaffung sämtlicher die Wollindustrie beschränkender Gesetze, z.B. die Regulation der Lehrlings- und Maschinenanzahl pro Meister, ihrer legalen Mittel des Protestes beraubt; und die Weber Lancashires wurden durch die relativ neuen Dampfwebstühle ins geschlossene Fabrikensystem gezwungen.

Der Fabrikenprotest in Iserlohn fand seinen Ausgangspunkt in der vom Fabrikanten Schmidt vorgenommenen Änderung des Produktionsverfahrens, die es erlaubte, Frauen einzustellen, welche zu einem geringeren Lohn vormalige Männerarbeit bewerkstelligen konnten. In Böhmen war die Lohnminderung durch den Fabrikanten Porges Ausgangspunkt der Unruhen, in Aachen der – allerdings nicht neue – Vollzug von Strafabzügen für vermeintlich schlechter gefertigte Ware. Während in Eupen und in Reichenberg die Anschaffung neuer Maschinen zur logischen Konsequenz des Maschinensturms führte, ist ein konkreter Anlass für die Unruhen in Schlesien schwerer zu ermitteln.

Moral economy und Weberlied


Das Verhalten der Fabrikanten deckte sich schon lange nicht mehr mit dem Verständnis einer „moral economy“. Das Weberlied allerdings denunzierte den krassen sozialen Gegensatz, der sich im demonstrativen Reichtum der Fabrikanten einerseits und dem Leben der Heimgewerbetreibenden am Rande des Existenzminimums andererseits darstellte, und machte deutlich, dass eine Eskalation kaum mehr vermeidbar war. In diesem Sinne forderten die Weber nicht, wie in den bereits zitierten Fällen, die Wiedereinführung des Status Quo ante, den ein Fabrikant kurz zuvor aufgekündigt halte, sondern eine allgemeine Verbesserung der Lage. Die Erkenntnis darüber, dass sich der Fabrikant Zwanziger nicht einsichtig zeigen würde, trat den offenen Konflikt schließlich ebenso los, wie die fehlende Verhandlungsbereitschaft des Fabrikanten Porges in Böhmen.

3. Motivation



Bei Klärung der Frage hinsichtlich der Motivation muss zwischen den unterschiedlichen Protestträgern differenziert werden. Die Heimgewerbetreibenden, die in Eupen, Aachen und auch in Yorkshire aktiv geworden sind, hatten die Zerstörung der neuen Maschinen als unmittelbaren Konkurrenten im Auge.

Sozialer Abstieg durch Maschinen


Die Tuchschermaschinen bedrohten die hochqualifizierten und meist gut entlohnten Tuchscherer direkt und machten aus dem von ihnen garantierten Produktionsgang eine Arbeit, die ohne größere Kenntnis von komplizierten Fertigungsweisen relativ einfach, d.h. von ungelernten Arbeitern bewerkstelligt werden konnte. Somit wirkten die neuen Maschinen nicht nur lohndrückend. Sie bedeuteten auch einen sozialen Abstieg und untergruben sowohl Prestige wie auch Selbstverständnis der Tuchscherer.

Auch die schlesischen Weber waren Heimgewerbetreibende. Aufgrund der geringen Industrialisierung Schlesiens konnten die Weber die Maschinen jedoch nicht als Bedrohung empfinden. Der Maschinensturm, dem die Jacquardmaschine des Fabrikanten Dierig zum Opfer fiel, ist daher eher im Rahmen des Fabrikenprotests zu sehen, der das Hauptcharakteristikum des Weberaufstandes darstellt.

Mehr Bestrafungsaktion als Druckmittel


Die Motivation der schlesischen Weber scheint nicht im eigentlichen Sinne auf ein „konstruktives“ Ziel ausgerichtet zu sein. Während die anberaumten Verhandlungen mit Zwanziger zur Lohnerhöhung führen soll, kann der Fabrikenprotest nicht als „collective bargaining by riot“ verstanden werden. Es scheint sich hierbei weniger um ein Druckmittel als um eine Bestrafungsaktion zu handeln, die den Fabrikanten angedacht wird, die selbst auf demonstrativen Reichtum nicht verzichten, während sie die Weber durch Strafabzüge, geringe Entlohnung, und andere Maßnahmen an den Rand des Existenzminimums drücken. Hier wird das unmoralische Handeln, das von der Vorstellung der “ moral economy“ abweichende Handeln bestraft, wie es schon bei früheren Hungerrevolten durchaus üblich war, und zwar auch von denen, die als „Hinzutreter“ nicht eigentlich betroffen waren. Dabei wurden vor allem Objekte demonstrativen Reichtums zerstört.

Erhalt der Selbstständigkeit


Die Industrialisierung in den Webergebieten Lancashires war, ebenso wie in Schlesien 30 Jahre später, noch nicht sehr weit entwickelt, dennoch ist die Motivation der englischen Ludditen hier eine andere: Während die Schlesier vom Hunger getrieben waren, ging es den englischen Webern um den Erhalt ihrer Selbständigkeit, die von den noch nicht sehr zahlreichen Dampfwebstühlen bedroht wurde. Auffällig ist, dass der Maschinensturm dort am ehesten ausbrach, wo die Mechanisierung am weitesten vorgedrungen war. Da auch das politische Selbstbewusstsein in England – schon traditionell – gereifter war als in Schlesien, hatte der Maschinensturm hier darüber hinaus eine politische Dimension.

In Böhmen und Iserlohn ist die Trägerschicht eine andere als in den bisher geschilderten Fällen, nicht aber unbedingt die Motivation. Die Arbeiter, die im geschlossenen Fabrikensystem integriert waren, wehrten sich zunächst nicht gegen die Maschinen, die ihnen letztlich ihr Auskommen gaben, das oftmals sehr viel höher lag als das von Heimgewerbetreibenden. So verteidigten die Arbeiter Dierigs seine Fabrik.

Auch bei den Maschinenstürmen im Rahmen der Märzrevolution 1848 in Wien war dies zu beobachten. Die Loyalität war allerdings dort nicht gegeben, wo die Anschaffung neuer Maschinen auch für diese Arbeiter nachteilig war.

In Böhmen hatte die Einführung der Perotine ähnliche Folgen für die Kattundrucker wie die Einführung der Tuchschermaschine für die Scherer in Eupen und Aachen. Die Prager Kattundrucker reagierten jedoch nicht gleich mit Maschinensturm. Entsprechend der Tatsache, dass sie von der Obrigkeit die Sicherstellung der Arbeitsverhältnisse gemäß ihrer Vorstellung der „moral economy“ erwarteten, verfassten sie ab 1819 zahlreiche Beschwerden an die Behörden, in denen sie die Nachteile der Maschinen formulierten. Desgleichen verbreiteten sie ein Flugblatt an die Prager Bürger.

Arbeitslosigkeit stieg


Die Perotine setzte aufgrund ihrer hohen Effizienz erst einmal eine große Zahl an Kattundruckern frei. Durch die Vereinfachung des Produktionsganges war auch hier das Einsetzen von unqualifizierten und damit billigeren Arbeitern möglich. Die Anschaffung neuer Maschinen wirkte darüber hinaus in mehrfacher Hinsicht lohnmindernd: neben der Konkurrenz durch billigere, unqualifizierte Arbeiter ließ der Überschuss an Arbeitskräften die Löhne sinken. Daher war es für die Fabrikanten ein leichtes, die Investitionen über geringere Löhne auszugleichen. So war die Lohnkürzung des Fabrikanten letztlich kein Einzelfall.

Es ist erstaunlich, dass die Prager Kattundrucker, die die Konsequenzen der Perotine ja genau reflektierten, nicht früher zum Mittel des Maschinensturms griffen, zumal nachdem ersichtlich wurde, dass der Staat keine vermittelnde Instanz darstellte. Obschon sie die Nachteile der neuen Maschinen in den Beschwerden, in ihrem Flugblatt und in der dem Maschinensturm folgenden Solidaritätsaufforderung an die Kattundrucker Leipas präzise analysierten, ist eine genaue Bestimmung ihrer Motivation schwierig.

Keine saubere Trennung der Motive

 

Eine Trennungslinie zwischen der oben dargestellte Motivation zum Maschinensturm und einer reinen Bestrafungsaktion eines uneinsichtigen Fabrikanten ist nicht sauber zu ziehen. Dass der Maschinensturm nicht Ausfluss diffuser, unreflektierter Maschinenfeindlichkeit ist, zeigen nicht nur die Äußerungen der Böhmer Kattundrucker.

In Iserlohn, wo ein neues Produktionsverfahren eingesetzt wurde, gingen die Arbeiter nicht gegen die Maschinen vor, sondern gegen die daraus resultierende Änderung in der Personalstruktur. Der Fabrikenprotest scheint hier noch am ehesten, wie auch der versuchte Maschinensturm in Aachen, nach Aussagen der Beteiligten im Sinne eines „bargaining by riot“ motiviert gewesen zu sein.

Organisationsgrad und -form der Trägergruppen



Dass frühindustrielle Proteste nicht immer so unstrukturiert waren, wie es oft angenommen wird, zeigen am anschaulichsten die Ludditen. Zwar hatten auch diese noch keine permanente formale Organisation, konnten aber auf eine lange gemeinsame Arbeitskampfkultur zurückblicken, die eine gewisse Solidarität innerhalb eines Gewerbes gewährleistete.

Der Maschinensturm selbst wurde von kleinen Gruppen umherziehender Männer durchgeführt, die, oft bewaffnet und mit geschwärzten Gesichtern, sehr diszipliniert und selektiv vorgingen. In Yorkshire waren aufgrund der größeren Fabriken auch größere Gruppen (mit einer Stärke von ca. 150) zur Erstürmung notwendig. Die Gewaltanwendung war derart kontrolliert, dass man eine vorherige Planung annehmen muss, die aber nicht an einzelnen Anführern festzumachen ist.

Regelrechtes Protestritual


Es lässt sich ein regelrechtes Protestritual feststellen: Nachdem Drohbriefe an die Meister und Verleger ergingen, wurde in der Bevölkerung für die Ludditenbewegung Geld gesammelt. In heimlichen Zusammenkünften wurden die Ziele bestimmt und in nächtlichen Aktionen Maschinen gestürmt, Waffen und Vorräte besorgt. Die von der Regierung eingesetzten Spione berichteten auch von Drillübungen und Eidesschwüren im Dunkel der Nacht, die den Ludditen den Charakter einer Guerilla-Truppe verliehen. Inwieweit die sich gründenden Geheimkomitees eine Rolle in der Organisation der Ludditenaktivitäten spielen, ist heute fraglich.

Unterstützungskasse in Böhmen


Einen ähnlich hohen Organisationsgrad erreichten in Deutschland nur die Kattundrucker Böhmens. Eine gewisse Organisation der Arbeiterschaft war z.B. in Reichstadt schon seit 1804 in der Form einer Unterstützungskasse institutionalisiert, die, nach dem Muster der in den Gesellenschaften existenten Laden, eine Absicherung im Krankheits- und Todesfalle gewährleisten sollte.

Innerhalb dieser Unterstützungskassen wurden bald Interessen formuliert, die über den eigentlichen, unmittelbaren Zweck der Kassen weit hinaus gingen. So stammten sowohl die zahlreichen Beschwerden, die die Prager Kattundrucker wegen der ihnen nachteiligen Perotinen verfassten, ebenso aus den Reihen der Kassen wie das zur gleichen Problematik verteilte Flugblatt an die Prager Bürger.

Obschon diese Unterstützungskassen anfangs betriebsintern konzipiert waren, bestanden durchaus Verbindungen der Kassen untereinander, wie die Solidaritätsaufforderung der Prager Kattundrucker an ihre Kollegen in Leipa demonstriert.

Institutionalisierte Interessenvertretung


Eine derart institutionalisierte Interessenvertretung, eine schon lange vor den Unruhen bestehende Organisation der Arbeiter, die Probleme thematisierte, die letztlich auch zum Ausbruch der Unruhen führten, war im deutschen Maschinensturm sonst nicht üblich. Zwar bemerken Henkel und Traubert bezüglich Eupen und Volkmann bezüglich Aachen, die dortigen Tuchscherer seien organisiert, die eventuelle Bedeutung dieses Tatbestands für die Ereignisse wird allerdings nicht erwähnt.

In der Regel musste eine Solidarität der Protestierenden, und damit eine Organisation des Protestverlaufs, erst zu Beginn der Unruhen geschaffen werden. Diese Solidarität wurde durch gewisse Kommunikationsstrukturen geprägt, die sich meist in der Anfangsphase des jeweiligen Protests bildeten und über den gesamten Protestverlauf hinweg die Zielrichtung der Protestierenden bestimmte.

Absprachen in den Wäldern


Diese Kommunikationsstrukturen, die ja Formen der Organisiertheit darstellten, sind vor allem durch Treffen auf Wiesen und in Wäldern charakterisiert, auf denen Beschlüsse gefasst wurden, die im folgenden unter ständiger Selbstkontrolle der Protestierenden umgesetzt wurden. Auf diese Weise erwuchs auch in einer vormals nicht organisierten Gruppe, z.B. bei den schlesischen Webern, eine derart große Disziplin, dass außenstehende Betrachter meist eine Leitung durch gewisse Rädelsführer vermuteten. Allerdings spielten Protestführer während der Unruhen meist keine große Rolle, gemeinhin spricht man eher von einer „Autorität des Augenblicks „.

Blutgericht in Schlesien mit integrativer Funktion


Besondere Erwähnung verdienen die Weberunruhen in Schlesien hinsichtlich der Solidaritätsbildung. Hier wird dem „Blutgericht“, dem schlesische Weberlied, eine integrative Funktion beizumessen sein, die eine Solidarisierung der Weber erleichtern musste, gerade weil es die eigene Lage problematisierte und daher „als Zündstoff in die gärenden Gemüter“ fiel38. Allerdings kam es generell auch vor, dass dort, wo eine Solidarisierung problematisch war, ein aktiver Kern von Protestierenden andere zur Teilnahme an den Unruhen zwangen.

5. Reaktion der Obrigkeit, zeitgenössische Rezeption


Die lokalen Magistrate in den englischen Distrikten waren durch die Ludditen sehr beunruhigt und reagierten dementsprechend hart: Im Sommer 1812 waren zwischen Leicestershire und Yorkshire über 12.000 Soldaten stationiert, die die Situation unter Kontrolle bringen sollten, in einzelnen Gebieten wurden auch Spione zur Unterminierung der Ludditenbewegung eingesetzt. Die Regierung reagierte gelassener als die örtlichen Autoritäten und sah es innerhalb ihrer Möglichkeiten, die Ausschreitungen zu befrieden, und sei es durch die Einführung der Todesstrafe für Maschinensturm.

Reines Problem der Ordnung


Insgesamt ist festzustellen, dass die Ludditen für die Obrigkeit ein reines Problem der Ordnung war, deren Ursachen keiner Analyse bedurfte. Das harte Durchgreifen des Militärs führte schließlich auch allerorts zum Ende der Ausschreitungen. Die bedrohten Verleger und Fabrikanten bildeten zum Selbstschutz Bürgerwachen oder gingen mitunter auch auf die Forderungen der Ludditen nach höheren Löhnen ein, um ihre Maschinen zu schützen.

Unverständnis und harte Strafen


Oft brachte die Mittelklasse jedoch keinerlei Verständnis für die Belange der Heimgewerbetreibenden auf, was sich in den zeitgenössischen Zeitungsartikeln widerspiegelt, in denen die Ludditen und die mit ihnen ziehenden Kriminellen über einen Kamm geschoren wurden. Die Unterschicht unterstützte die Ludditen dagegen, wenngleich viele durch den Mord und die generelle Gewaltbereitschaft auch abgeschreckt wurden. Die Strafen für den Maschinensturm in England waren hart: von der Todesstrafe über Deportationen bis hin zu mehrjährigen Zuchthausstrafen. Was die Arbeiter späterer Generationen aber nicht unbedingt abschreckte, gegebenenfalls erneut zu Gewalt gegen Maschinen zu greifen.

Einschreiten des Militärs


Auch in Deutschland war die Reaktion der Obrigkeit meist ähnlich hart, wie das Einschreiten von Militär (und Bürgerwehr) sowie die jeweiligen Urteile der Justiz zeigen. Mildernde Umstände wurden zu Gunsten der Protestierenden nicht geltend gemacht. Die unmittelbare Reaktion der Obrigkeit, der Einsatz von Militär führte langfristig zwar immer zu einer Befriedung der Geschehnisse, kurzfristig aber meist erst zu einer Zuspitzung der Unruhen, da das Militär nicht unbedingt in den Kategorien einer „Deeskalationsstrategie“ dachte.

Musterablauf


Meist bildete sich durch die Aktivitäten der Obrigkeit ein Musterablauf: Die Inhaftierung von Protestierenden provozierte in allen Fällen die versuchte Gefangenenbefreiung. Diejenigen, die als Teil der Ordnungsseite Schützencorps und Bürgerwehr bildeten, hatten naturgemäß wenig Verständnis für die Ausschreitungen. Ihre Auffassung von Recht und Unrecht, die der der Protestierenden entgegengesetzt war, erfuhr ihre Bestätigungen durch die Ehrungen und Belobigungen von staatlicher Seite.

Volkmann stellt dabei für die Unruhen in Aachen fest, dass auf der Ordnungsseite durchaus auch Teile der Unterschichten zu finden waren, die sich zu Honoratioren, Fabrikanten und städtischen Angestellten hinzugeseilten. Freilich unterschieden sich diese Unterschichten von den Protestierenden durch eine größere Einkommenssicherheit. Entsprechend war dort auch keine durch Unterbeschäftigung geplagte Berufsgruppe vertreten. Auch die Fabrikarbeiter sind der Ordnungsseite zuzurechnen, zumindest dort, wo ihnen aus der Arbeit im geschlossenen Fabrikensystem keine Nachteile erwuchsen.

Analyse durch die deutsche Obrigkeit


Während die Reaktion der Obrigkeit hinsichtlich des Einsatzes von Militär und der späteren Aufarbeitung durch die Justiz mit der in England durchaus vergleichbar ist, kann bei den deutschen Behörden ein größeres Bedürfnis nach einer Analyse der Geschehnisse festgestellt werden. Dies geschah aber eher im Dienst der weiteren Wahrung von Recht und Ordnung als zur Durchsetzung gerechter Arbeitsbedingungen.

Diejenigen Vertreter der Behörden, die sich vor Ort aufhielten, waren allerdings durchaus zu einer differenzierten Betrachtung der Ereignisse fähig. So ließ die Bezirksregierung in Aachen die Arbeitsbedingungen untersuchen und stellte dabei erhebliche Missstände fest. Ähnlich wie in Prag bemühte man sich hier um die Aufstellung einer Fabrikenordnung.

Versuche von Fabrikenordnungen


In Prag war diese zwar mit einem Streikverbot der Arbeiter verbunden, Schiedsgerichte hätten ihnen dennoch eine größere Einflussnahme auf die Arbeitsbedingungen erlaubt und letzteren ihren Ausdruck von Willkür genommen. Letztlich scheitere diese Fabrikenordnung allerdings am Widerstand in Wien.

Eine Aachener Fabrikenordnung scheiterte am Preußischen Staatsministerium. In Aachen, wie auch in Eupen und Schlesien wurde die Schuld für die Unruhen im übrigen eindeutig bei den Fabrikanten gesucht. Der Regierungsrat von Goerschen bescheinigt dem Fabrikanten Stoll ein „tadelnswertes Benehmen“, welches indirekt zu den Unruhen beigetragen hätte“. Und auch der Landrat von Scheibler erkannte in der Unbeliebtheit des Fabrikanten, die diesem unter anderem wegen verhältnismäßig geringerer Löhne entgegengebracht wurde, eine Ursache des Protests. Im Aachener Urteil wurde in den Strafabzügen der Hauptgrund der Ereignisse gesehen. Auch die Problematik neuer Maschinen wurde erkannt.

Fabrikanten als Provokateure


In Schlesien sah das Gericht in Zwanziger den Provokateur der Unruhen und kam hierbei zu dem gleichen Ergebnis wie der Polizeirat Duncker, der von der preußischen Regierung beauftragt worden war, die Hintergründe der Geschehnisse zu beleuchten. Das Urteil ist von dieser Erkenntnis allerdings nicht durchdrungen.

Während die Behörden in Eupen zur Wahrung der allgemeinen Ordnung wünschten, man solle sich mit der Einführung neuer Maschinen zurückhalten~, stellten die Behörden in Prag fest, dass eine diesbezügliche Reglementierung der Böhmischen Wirtschaft schaden würde. Ein Flugblatt Prager Fabrikanten sollte den Kattundruckern erklären, warum es unvernünftig sei, sich gegen neue Maschinen zu wehren: Ohne Maschinen wäre man bald nicht mehr konkurrenzfähig. Darüber hinaus wären die Löhne auch ohne Maschinen niedrig, aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und der damit großen Zahl an Arbeitssuchenden.

Keine „gute Policey“


Obschon in Aachen und Schlesien Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zur Linderung der Not eingeführt worden waren, zeigte sich die Ordnungsseite, auch bei richtiger Einschätzung der Sachlage, zumindest auf höherer Ebene nicht als Instanz, die im Sinne einer „guten Policey“ handelte. Gerade in Hinblick auf die Unruhen in Schlesien lässt sich allerdings feststellen, dass sie zumindest in der bürgerlichen Presse mit großer Anteilnahme verfolgt wurden. Dies führte schließlich auch zur Bildung eines „Vereins zum Wohl der Hand- und Fabrikarbeiter“, der ein Sozialprogramm für Schlesien erstellte, und sich für die dortige Einrichtung von Spinnschulen einsetzte. Diesem Verein traten auch zahlreiche Unternehmer bei.

Erfolge


Viele Zeitgenossen der Maschinenstürmer in England und Deutschland erkannten keinen Sinn in der Gewaltanwendung gegen Maschinen und Fabrikanteneigentum, da die Arbeiter sich, wie sie annahmen, damit nur selber Schaden zufügten, und zwar durch den Arbeitslohnausfall und die Verhinderung des Wachstums dort, wo er gebraucht wurde. Engels dagegen formuliert in seinem Werk über die Arbeiter in England, dass Arbeitsniederlegung in jeder Form nicht sinnlos sei, „weil sie [die Arbeiter] gegen die Herabsetzung des Lohns und selbst gegen die Notwendigkeit dieser Herabsetzung protestieren müssen weil sie erklären müssen, dass sie, als Menschen, nicht nach den Verhältnissen sich zu schicken, sondern dass die Verhältnisse sich nach ihnen den Menschen, zu richten haben.“

Kurzfristig ja, langfristig nein


Während den Protestierenden innerhalb ihrer Möglichkeiten durchaus kurzfristige Erfolge nachzuweisen sind, wie z.B. Lohn- und Stückpreiserhöhungen und die Rücknahme oder Verzögerung der Maschinisierung, werden diese mittel- und langfristig jedoch zurückgenommen, so dass die Maschinenstürmer keine grundlegende Veränderung ihrer Situation bewirken konnten.

Schaffung von Protogewerkschaften


Es darf aber nicht unterschätzt werden, dass diese Unruhen maßgeblich zur Konstituierung einer bewussten Arbeiterschaft beitrugen. Durch diese Arbeitskonflikte vergegenwärtigten sich die Arbeiter ihre Situation, erkannten Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit der Gegenwehr und bemerkten, je mehr sie von der alten in die neue Ordnung übergingen, dass nicht punktuelle, sondern allgemeine Veränderungen für eine Lageverbesserung notwendig waren.

Diese Einsicht hatte einen Wandel der Zielrichtung zur Folge. An die Steile des Wunsches, eine alte Ordnung zu erhalten, trat nun der Wunsch, eine neue aufzubauen. Die bis dahin gewonnenen Erfahrungen wurden in die entstehende Arbeiterbewegung eingebracht. Bezeichnenderweise war „Lassalles ADAV gerade in den Gebieten erfolgreich, die auf lange Protesttraditionen zurückblicken konnten“, und auch in Nottingham bildete sich nach dem Maschinensturm und dem Scheitern von Gesetzesvorlagen das „United Commitee of Framework-Knitters“ als quasi-protogewerkschaftliche Organisation der Strumpfwirker Mittelenglands.

Schlussbemerkung


Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass zwischen dem deutschen Maschinensturm und der englischen Ludditenbewegung mehr Gemeinsamkeiten bestehen als grundlegende Unterschiede.

Entsprechend der industriellen Entwicklung waren es vornehmlich Heimgewerbetreibende, die durch die zunehmende Mechanisierung um ihren Lebensunterhalt und Status fürchten mussten. Trotz unterschiedlicher Organisationsformen, erwachsen aus einer unterschiedlichen Tradition im Arbeitskampf, ist die während des Protestverlaufs demonstrierte Disziplin in allen besprochenen Fällen beachtlich. So zeigt sich jeweils ein reflektiertes Vorgehen, das aber jeder expliziten politischen Intentionalität entbehrt. Während die Obrigkeit nicht in Frage gestellt wurde, sondern im Gegenteil von ihr erwartet wurde, dass sie vermittelnd und zu Gunsten der Unterschichten in den wirtschaftlichen Verlauf eingreifen würde, reagierte die Obrigkeit in England und in Deutschland tendenziell hart. Der unmittelbar greifbare Erfolg war somit von nur kurzer Dauer.

Industriell motiviert, weniger politisch


Die vorgenommene Darstellung zeigt eindeutig, dass Maschinensturm keine blinde Aktion unzufriedener Arbeiter war, die generell auf pure Maschinenfeindlichkeit zurückzuführen wäre. Des weiteren, dass er hauptsächlich industriell motiviert war, und nur dann als politisch erkannt werden kann, wenn man bereits ein Missfallen am gesellschaftlichen Wandel als politisch bezeichnen möchte. In diesem Sinne ist auch der Schlesische Weberaufstand nicht politischer als z.B. der Aufstand in Aachen, wie er sich auch auf anderen Ebenen von letzterem nicht unterscheidet. Es wäre daher übertrieben, die schlesischen Unruhen als Initialzündung der Arbeiterbewegung zu begreifen.

Sinnfrage


In Anbetracht der Tatsache, dass die unmittelbaren Erfolge meist nur relativ und die Reaktion der Obrigkeit für die Protestierenden nur von Nachteil waren, ist die Frage nach dem Sinn von Fabrikenprotest und Maschinensturm immer auch eine Frage der subjektiven Einschätzung. Die dargestellten Proteste sind Ausdruck eines Konflikts zweier Ordnungen, und daher charakteristisch für eine soziale Übergangsphase. Den Protestierenden kann hier eine „Notwehrhandlung“ bescheinigt werden, die sich in keiner anderen Form hätte manifestieren können. Die Möglichkeiten politischer Partizipation waren bekanntlich begrenzt. Die Bewertung Hobsbawms, der Sturm auf Maschinen sei speziell in der Zeit vor den nationalen Gewerkschaften das einzig sinnvolle gewesen, erscheint daher besonders einleuchtend.

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Birgit Köhler

Journalistin
Historikerin
Lyrikerin
Autorin
aus Bremen