Moderne Zeiten mit Vorzeit-Wesen

Oder: Wie ein Urkrebs für eine saubere Wohnung sorgt

(erschienen im Onlinemagazin Bremer Zeitkultur, 01.07.2002)

Bremen. „Heute hab ich etwas gesehen, das wird dein Leben verändern!“ Mit diesen Worten begrüßt mich ein Freund, mit dem ich dieser Tage an der Schlachte verabredet war. Er war vor unserer Verabredung in einem Elektrogeschäft gewesen und war dort – dem achten Weltwunder begegnet! Ein Wunderwerk der modernen Technik, eine Ausgeburt menschlicher Fantasie, manifest gewordene Bezwingung der Natur: der Trilobite.

Nie gehört? Ist auch noch neu. Naja, nicht der Trilobit, der ist ungefähr 500 Millionen Jahre alt und eines dieser Fossilien, die selbst Nicht-Dinosaurier-Fans neben den Ammoniten kennen, weil sie als Versteinerung in unzähligen Steinfußböden zu finden sind. Diese Urkrebse sind im Perm ausgestorben – und jetzt tauchen sie eben wieder auf, in ganz moderner Form: als erster automatischer Staubsauger der Welt.

Staubsaugen wie die Jetsons

Mein Freund schob mir den Prospekt über den Tisch: klein, rund, flach und rot kommt der Trilobit der Neuzeit daher, und auch wenn er entfernt an einen Hoovercraft erinnert (war Hoover nicht auch eine Staubsaugerfirma?), ist er ein Produkt der schwedischen Firma Electrolux, nach eigenem Bekunden der weltweit größte Hausgerätehersteller. Ich dachte an diese TV-Cartoon-Serie, „Die Jetsons“ (erinnert sich noch jemand?), dort hatte die Familie der Zukunft auch vollautomatische Staubsauger und andere Hausroboter – aber eben auch jede Menge Ärger mit deren selbstständigem Geist.

Das soll mit dem Trilobite natürlich anders sein: Das kleine Helferlein saugt den Dreck von jedem Teppich, ohne das Glas Rotwein umzustoßen, das von der letzten Nacht noch neben der Couch steht (…). Er orientiert sich im Raum mittels Ultraschall wie die Fledermäuse, fährt die Wände ab und dann kreuz und quer durch die Wohnung, bis der Akku leer ist.

Künstliche Intelligenz im Haushalt

Aber da hört die künstliche Intelligenz des Trilobite nicht auf: Sobald er merkt, dass ihm der Saft ausgeht, steuert er vollautomatisch seine Ladestation an und tankt auf. Ist noch Dreck auf dem Boden, setzt er sein Werk nach dem Aufladen weiter fort – clever gedacht. Vor eventuellen Suiziden an Treppen schützt ihn übrigens ein Magnetstreifen, der dem schlauen Automaten eine künstliche Begrenzung vorgaukelt. Die Hausfrau von heute kann in der Zwischenzeit bequem einkaufen gehen oder der Yuppie ins Büro – kommen sie wieder, strahlt ihr Teppich wieder rein und sauber.

Einen „richtigen“ Staubsauger soll er jedoch nicht völlig ersetzen – der Trilobite ist sozusagen für den „kleinen Dreck zwischendurch“. Von solchen Kleinigkeiten abgesehen schien mir dieser vollautomatische Staubsauger perfekt, das richtige Geschenk „für jene, die schon alles haben“, wie es so schön heißt. Dazu passt auch der Preis: 1599 Euro (!) soll das Dingelchen kosten…

Probefahrt im Angebot

Electrolux bietet allerdings auch „Probefahrten“ für Journalisten an, um den Trilobite live in action kennen zu lernen. Das würde mich schon locken – denn nichts hasse ich mehr als mein riesiges Wohnzimmer zu saugen! Allerdings, wie soll ich meiner Katze die modernen Zeiten beibringen? Sie rastet ohnehin schon aus, wenn ich mein grünes altertümliches Staubsauger-Ungetüm aus dem Besenschrank hole – was aber täte sie nur, wenn sie mutterseelenallein auf dem Fenstersims döst und plötzlich erwacht der Trilobite, frisch aufgetankt, zu neuem Leben… dann käme der wahre Härtetest für den roten Plastikpanzer des Trilobite… (bik)

Birgit Köhler

Journalistin
Historikerin
Lyrikerin
Autorin
aus Bremen